Ich glaube, dieser Artikel geht uns alle an. War gut versteckt im letzten "Spiegel" (Print-Ausgabe) als kleiner 1-Spalten-Artikel. Habe mir die Mühe gemacht, ihn mal abzutippen. Unser "Papa Staat" hat sich wieder eine neue Einnahmequelle ausgedacht
Money for nothing?
03026931. Diese Ziffernfolge ist eine Zolltarifnummer des TARIC-Codes und bezeichnet in diesem Fall "Rotbarsche, Goldbarsche oder Tiefenbarsche der Art Sebastes marinus". Im TARIC-Code sind EU-Weit alle Waren erfasst, die im- oder exportiert werden, sowie ihre jeweils aktuellen Zollsätze, Ein- und Ausfuhrbestimmungen im weltweiten Handel. Alle Waren haben eines gemeinsam, sie sind materiell. Bislang wurden immaterielle Güter zolltechnisch nicht erfasst und besteuert. Das soll sich entsprechend einem neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung nun bald ändern.
Zolloberrat Karl Glowalla vom Haupzollamt Hamburg fasst die Situation zusammen: "Immaterielle Güter fliessen täglich über das Internet, Millionenumsätze werden hier gemacht, doch der Staat hat davon keinerlei Einnahmen."
Auf 1,4 Exabyte wird der tägliche Datenfluss immaterieller Güter weltweit geschätzt. Die weltweiten Umsätze mit dem Verkauf dieser Güter sind zwar noch nicht bezifferbar, aber alleine für "Einfuhren" nach Deutschland wird ein Handelsvolumen von Jährlich über 1 Milliarde Euro angesetzt.
In der Tat entstehen dem Staat dadurch gewaltige Einnahmeausfälle. Karl Glowalla: "Auf eine Software, die sie im Laden auf CD erwerben, wird wie auf Bücher ein Mehrwertssteuersatz von 7% erhoben. Ein Programm, das sie sich im Internet herunterladen und per Kreditkarte bezahlen, ist hingegen zur Zeit noch steuer- und zollfrei."
Neben Programmen und E-Books soll auch der Handel mit sogenannten "Items" aus Online-Rollenspielen in die neue Regelung mit einbezogen werden, ebenso der sogenannte "Content" von 3D-Entwicklern, der auf Websiten von Firmen wie DAZ3D, Renderosity oder Content-Paradise angeboten wird. Oft handelt es sich um Summen von nur wenigen Euro pro Item, aber die Masse macht es auch hier.
Der neue Gesetzentwurf der Regierung sieht vor, Downloads von Software- oder Contentanbietern über einen staatlichen Zollserver zu leiten, wo dann vom Käfer die jeweilige Zollsatz sowie die Einfuhrumsatzsteuer erhoben wird. Der logistische und technische Mehraufwand für diese Einrichtung dürfte sich für den Staat aber durchaus lohnen. "Schliesslich werden auch andere immaterielle Leistungen besteuert. Warum also nicht in diesem Fall genauso verfahren?" fragt Zolloberrat Glowalla.
Dabei stehen die Deutschen mit ihrer Forderung nicht alleine. Auch eine EU-Richtlinie zu diesem Theme befindet sich kurz vor der Fertigstellung: Ziel der europäischen Zollbehörden ist es, eine europaweit einheitliche Regelung zu finden.
Datenschützer sind hingegen schon jetzt alarmiert. Die Begründung, daß die Überwachung übertragener Datenpakete aus Übersee etwa dem Öffnen eines Containers zur Zollkontrolle entspricht, wird von ihnen scharf kritisiert. Detlef Brallermann von der Piratenpartei dazu: "Nach dem Scheitern der Vorratsdatenspeicherung und der Pleite mit dem Stopp-Schild gegen Phädopilen-Websites versucht die Regierung nun durch die finanzielle Hintertür eine Kontrolle über das Internet zu erhalten."
Noch existiert das Gesez nur als Entwurf, soll aber schon in der nächsten Legislaturperiode dem Bundesrat vorgelegt werden. Stimmt dieser zu, wäre die erste Hürde überwunden. Ab dem 1.4.2012 sollen dann auch alle sog. "virtuellen Güter" im TARIC-Code erfasst und besteuert werden.
(Aus "Der Spiegel", Nr. 13/2011)