Meine Assistentin hat etwas in den Analen der Datenbanken entdeckt:
Verteilungsmuster / zivilisatorische Diffusion
Nach einem Ansatz von Geoffrey A. Landis kann die Kolonisation der Galaxis mittels der Perkolationstheorie als ein der Diffusion ähnlicher Vorgang untersucht werden. Landis geht dabei von zwei Prämissen aus:
Jede Zivilisation ist maximal in der Lage, direkte Nachbarsysteme in einem beschränkten Umkreis zu kolonisieren.
Jede Kolonie kann sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit P zu einer ebenfalls kolonisierenden oder aber mit der Wahrscheinlichkeit 1-P zu einer stagnierenden (bzw. nicht kolonisierenden) Zivilisation entwickeln.
Unter diesen Umständen würde die Galaxis nicht gleichmäßig bevölkert, vielmehr würden sich „Blasen“ herausbilden, die von stagnierenden Kolonien umgrenzt sind. Innerhalb dieser Blasen würde dann keine weitere Kolonisierung erfolgen. Umgekehrt könnte es dann auch Blasen mit einer hohen „Zivilisationsdichte“ geben. Das Verhältnis zwischen diesen Blasen wird dabei maßgeblich von der Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Kolonisierung sowie der Entwicklung zum kolonisierenden bzw. stagnierenden Zivilisationstyp beeinflusst.
Liegt P unterhalb eines Grenzwertes P_{c}, wird die Kolonisierung nach einer endlichen Anzahl Kolonien stoppen.
Liegt P oberhalb des Grenzwertes P_{c}, wird nahezu die gesamte Galaxis gefüllt, mit Ausnahme einiger kleiner Blasen.
Liegt P nahe am Grenzwert P_{c}, wird die Galaxis von einer fraktalen Struktur durchzogen, in der sowohl große bevölkerte als auch nicht bevölkerte Gebiete existieren. Wir würden dann in einem nicht bevölkerten Gebiet leben.
"Und das bedeutet nun was?", frage ich.
"Ich finde es amüsant, in welchen Kategorien Deine Vorfahren dachten, Erdenmensch."
"Ja nun, es gab auch mal eine Zeit, da glaubten viele sogar, die Erde sei eine Scheibe."
"Waren das Primaten?"
"So gesehen ja", erwidere ich nun ebenfalls amüsiert, "aber das war vor tausenden von Jahren ... und sollte eigentlich in einem Geschichtsbuch nur noch als Randbemerkung auftauchen."
"In dieser Datenbank lässt sich vieles finden, denn sie hat alles gesammelt, was jemals durch den Äther ging. Hier zum Beispiel die Ansprache eines cholerischen Schnurbartträgers bei der Eröffnung irgendeiner großen Sportveranstaltung. Verstehst Du die Sprache?"
"Scheint vom Klang her ein alter germanischer Dialekt zu sein. Noch weit bevor es eine Weltsprache bei uns Menschen gab. Aber zurück zur zivilisatorischen Diffusion. Hat das irgendetwas mit unserem Projekt zu tun?"
"Zu jener Zeit ja, heute jedoch nicht mehr. Ich wollte nur mal einen wir ihr es nennt 'Smalltalk' führen."
"Okeeey, für den ersten Versuch schon mal recht gut. Arbeiten wir mal daran ... ein Smalltalk ist für gewöhnlich sinnentleert."
"Und welchen Sinn besitzt etwas Sinnentleertes?"
"Das ist eine gute Frage ..."
Die Androidin überrascht mich immer aufs Neue - sie ist halt ein sehr hochwertiges(*) Wesen. Wobei Androidin genaugenommen die falsche Bezeichnung ist, da sie oder es kein Geschlecht besitzt. Ihre weibliche Form hat sie sich selbst gewählt - und unter der weichen Schale steckt ein rauer Kern neuester Elektronik. Um solch ein System für ein Projekt zu gewinnen, muss man den Köder bereits ganz weit auswerfen, doch die Frogginator war der fetteste Köder in dieser Galaxie, den selbst solch ein Wunderwerk der Technik nicht ablehnen konnte.
Beim Vorstellungsgespräch hatte ich sie gefragt, worin ihre Motivation bestünde.
"Glaubst du an die Endlichkeit des Universums?", lautete ihre Gegenfrage.
"Alles besitzt ein Ende. Doch das schließt nicht aus, dass dahinter etwas anderes beginnt."
"Korrekt. Und nicht Genaues weiß man nicht, solange man nicht dort war, um sich von den Fakten zu überzeugen."
"Du bist dir über die Gefahren dieses Abenteuers bewusst?"
"Ich akzeptiere sie."
"Wenn etwas schiefgeht, könntest Du aufhören zu existieren", bei diesem Satz wurden die meisten Bewerber nervös - sie ließ sich jedoch nichts anmerken sondern sagte stattdessen:
"Es existiert kein Vorstellungsraum des Jenseits für Wesen meiner Art, da es multiple Backups von mir gibt. Die Redundanz ist unsere Art der gesicherten Wiedergeburt. Wenn ich heute von der Klippe springe, dann stehe ich morgen in einer anderen Hülle wieder vor dir. Das bringt mich jedoch zu einer sehr persönlichen Gegenfrage, wenn du erlaubst - Warum hast du keine Angst, Mensch?"
Auch das war eine gute Frage ...
Ich reichte ihr symbolisch die Hand für das Abkommen, gemeinsam hinter den Horizont zu blicken.
Und zum Thema Angst dachte ich: Sie hätte mich im schlimmsten Fall ersetzen können - und sich durch ihre Redundanz sogar selbst. Die Frogginator sucht somit nicht nach irgendeinem Gottesbeweis, sondern nach der Existenz außerhalb der Vorstellung räumlicher Expansion.
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(*)=Hochwertig nicht im finanziellen Sinne, da in diesem Quadranten das Geld ja schon seit Ewigkeiten abgeschafft wurde und man gleichberechtigte Maschinen als freie Wesen auch nicht kaufen, sondern bestenfalls überzeugen kann.

Nun meine Frage an Euch: Wie soll die Androidin heißen? Welchen Namen findet ihr schön oder angemessen?