CARRARA, Wolken mit ESCAPE MOTIONS FLAME PAINTER. Carrara-Terrain-Generator. V4. Viel Kaufware eingesetzt; Grasbüschel und das Viadukt sind eigene Fabrikation.
Auf meiner Interrail-Reise mit Melanie (16Jahre), ich (17Jahre), sind wir auch für neun Tage in Rom gelandet.
Ich habe einfach mal mein altes Tagebuch abgetippt:
Rom, 27.07.74
Gestern nach dem Frühstück sind Melanie und ich getrennte Wege gegangen. Sie wollte Shopping gehen, ganz neudeutsch, während es mich mehr in die Natur hinaus zog.
Um es gleich zu sagen, dieses satte deutsche Grün in verschiedenen Abstufungen gibt es hier nicht. Hier dominiert fahlgelb. Als Alternativen werden noch fahlgrau geboten. Mein Ziel habe ich ganz einfach festgelegt, aus dem Antico Caffé Greco hatte ich ein Faltblatt mitgenommen, mit einem Gedicht von Carossa über die Via Appia Antica.
Der Taxifahrer war ziemlich verunsichert, als ich mich mit meiner Gitarre am Stadtrand an einer kleinen Kirche absetzen ließ. Are you shure? hatte er ein paar Mal wiederholt gefragt, bevor er mit Vollgas davon scheste.
Fast bereute ich meine Idee.
Aber der Spruch über der Kirchentür munterte mich wieder auf: Domine quo vadis. Wohin des Weges, mein Herr? Ich zuckte mit den Schultern, drückte meinen Strohhut zurecht, und trabte los.
Irgendetwas funzt immer!
Und die Hitze flimmerte!
Das war nun die älteste Straße der Welt. Sie macht aber einen sehr unscheinbaren Eindruck. Gut, – in das rustikale Kopfsteinpflaster hatten sich die Reifenspuren von Caesers Kutschen tief eingefräst, das war aber auch schon alles. Solche Wege kenne ich auch am Mittelland-Kanal.
Die Kulisse wurde dann doch ein klein wenig interessanter. Schlanke Zypressen und hochbeinige, weit ausladende Pinien säumten den Weg. Und riesige Kakteen, die hier das Aussehen einer gängigen Pflanzenart von Beteigeuze haben.
Und es war heiß.
Die Straße war von alten Mauern eingefasst. Entweder waren die Mauern Rückseiten windschiefer einstöckiger Häuser, oder sie begrenzten efeuüberwachsen einen Garten.
Ich passierte ein verrostetes Eisentor, das inmitten eines Brennnesselfeldes stand. Auf einem besonders trostlosen Grundstück wuchs mittig eine braun verwelkte Palme. Das Gras sah sehr hart aus und war halbversengt. Das schien die Grillen aber nicht zu stören, die hier ihr Nachmittags-Konzert vortrugen.
Eine Bauruine von anno Tobak lag vor mir.
Eine Schafherde überquerte die Straße. Aufmerksam lief ein schwarzer Hund hin und her, den Schäfer behandelte er wie jedes andere Herdenmitglied auch. Er umkreiste ihn und bellte vorwurfsvoll, weil dieser wirklich langsam über die Straße schlurfte. Vielleicht schlafwandelte der Schäfer auch, denn seine Augen waren geschlossen.
Ohne weiteres ließ ich mich von dem Hund in die Herde einreihen, ich nickte ihm zu und folgte den Tieren in die Wiese hinter einem Schild, das auf die VILLA CIRCO di MASSENZIO hinwies.
Unweit der Schafe kletterte ich umständlich mit meiner Gitarre auf eine Ruine, die hier im Feld wie vergessene Holzbauklötze im Kinderzimmer herum standen. Ich winkte dem Schäfer mit meiner Salami und der Wasserflasche zu, aber er schüttelte den Kopf. Dabei schien er zu lachen. Er konnte also mit geschlossenen Augen sehen. Vielleicht ein Druide?
Dank meines Überblicks wurde klar, dass es sich bei der Mauer um die Mittelachse einer lang gestreckten Pferderennbahn handeln konnte. Hier zu meinen Füßen galoppierten vor 2000 Jahren rassige Pferde vorbei, gegenüber in den Tribünen saßen elegante Frauen und feuerten ihren Reiter an. Wahrscheinlich war auch der Galan einer besonders Schönen dabei und der Hausherr wunderte sich schon, warum sein Ehegespons so viele Stunden am Reitstall verbrachte.
Meine Gedanken wurden träge und schwappten durch Raum und Zeit.
Überall gewaltige Grabmale, gebaut von einem Volk, das nicht an Wiedergeburt glaubte. Man konnte nur mittels der Erinnerung weiterleben. Je größer das Monument, umso länger blieb man. Das war natürlich ein Irrglaube, denn schon drei Generationen später waren Kaiser, Statthalter und Konsul auf die Zeilen der Geschichtsschreibung reduziert.
Ich klimperte auf meiner Gitarre herum:
Via Appia Antica - aus dem Liederzirkel Melanie
Steine aneinander
RuinenStein
Grab im Hain
vergeht.
Sonnen-Salamander,
endlos alt.
Gebet verhallt,
verweht!
REFRAIN
Ewigkeit in Stein.
Alter Gott begraben.
Alle Zeit sei dein,
lese deinen Namen
im heiligen Schrein.
VERS
Sonnenheiße Mauern,
fahles Gras.
Himmel blass
und leer.
Nattern-Schlangen lauern.
Via Appia
war schon immer da
zum Meer.