Stalkerin

Als ich neu ins Viertel gezogen war, stand allmorgendlich ein kleines Mädchen vor meinem Küchenfenster, beobachtete mich bei der Hausarbeit und sagte: "Du bist ein guter Hausmann. Heiratest du mich?"

"Wenn du noch 10 Jahren warten kannst und immer noch so schön bist, sage ich sicher nicht nein", erwiderte ich schmunzelnd.

So ging es jeden Morgen, und jedes Mal nannte sie mir die noch verbliebende Tageszahl.

"Hast du keine Freunde, mit denen du spielen kannst?"

"Die sind alle ... tot. Der Krieg hat sie gefressen."

"Welcher Krieg?", fragte ich verwirrt, "hier herrscht seit 40 Jahren Frieden."

"Wenn du meinst ..."

Die Jahre vergingen, und sie erwuchs zu einer wunderschönen jungen Frau, die die Einlösung meines Versprechens einforderte.

Vor dem Altar fragte mich der Pfarrer, wann mit der Ankunft meiner Braut zu rechen sei. Ich wies zur Rechten und sagte: "Sie steht doch neben mir."

Er bat mich in sein Dienstzimmer und zeigte mir ein Album vermisster Kinder des letzten Krieges - eines jener Fotos zeigte meine kleine Stalkerin, wie ich sie scherzhaft nannte.

"Ich denke", sagte der Geistliche, "Sie haben ihr den letzten Wunsch erfüllt - nun hat ihre liebe Seele Ruh' ..."

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Seltsam, aber so steht es geschrieben.